In den vergangenen Jahren wurde die Industrieproduktivität durch technologischen Fortschritt signifikant gesteigert. Dabei wurde ein neuer Begriff Teil unseres Vokabulars: Industrie 4.0. Auch hierzu hat China seine eigene Antwort zu bieten.
Die Erfindung der Dampfmaschine und der damit verbundenen Industriellen Revolution während des 19. Jahrhunderts verstehen wir heute als Industrie 1.0, die Nutzung von Fließbändern im frühen 20. Jahrhundert als Industrie 2.0 und die Entstehung der IT- und Elektroniksektoren in den 1970ern als Industrie 3.0. Doch auch seitdem hat sich die Industrie weiterentwickelt, bedingt durch eine zunehmende Rolle von Technologie. Ganz klar, wir befinden uns heute mitten in einer vierten Industriellen Revolution – Industrie 4.0 hat begonnen. Das Stichwort hierbei sind Smart Factories. In diesem Zusammenhang ist die Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen Maschinen (Machine-2-Machine) zu nennen. Diese Interaktion mittels digitalen Protokollen und Prozessen ist Teil der Industriedigitalisierung. Das Ergebnis sind intelligente und verbundene Anlagen, die nicht nur Arbeiten verrichten, sondern auch Entscheidungen treffen, sowie Prozesse teils eigenständig optimieren. Die Welt der Industrie 4.0 ermöglicht eine bisher nicht dagewesene Massenproduktion von maßgeschneiderten Produkten bei höchster Kosteneffizienz. So wird es möglich sein Güter wie z.B. Schuhe in großen Losen zu produzieren, ohne das dabei einer strengen Formel gefolgt werden muss.
Der Pionier als Lehrer: Die deutsch-chinesische Industrie 4.0 Kooperation
Viele Ökonomen halten eine Teilnahme an diesem Konzept der Digitalisierung für alternativlos, denn wer im globalen Markt weiterhin wettbewerbsfähig bleiben will muss sich entsprechend anpassen. Unternehmen und ebenso Staaten rund um den Globus arbeiten an dieser Lösung und investieren in diese Form der Digitalisierung um so die Effizienz und Flexbilität ihrer industriellen Sektoren zu erhöhen. In diesem Zusammenhang kann Deutschland als Pionierland der Industrie 4.0 angesehen werden. Die deutsche Regierung investierte bereits mehr als 200 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung an Universitäten, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Die Zukunftsvision der Industrie 4.0 wird bereits bei Unternehmen wie SAP, Siemens oder der Deutschen Telekom angewandt. Des Weiteren hat Berlin seine Absichten verstärkt, mit China in der Entwicklung digitaler Industrietechnologie zu kooperieren. Dies stellt insbesondere für China eine herausragende Chance dar, da China sich heute im Prinzip erst im Übergang von Industrie 2.0 zu Industrie 3.0 befindet. So werden zum Beispiel Industriesoftware und Manufacturing Execution Systeme (MES) in nur etwa 60% der chinesischen Unternehmen angewandt. Während Automatisierung in chinesischen Unternehmen an Bedeutung gewinnt, so stellt Digitalisierung oft noch eine absolute Neuheit dar. Der Unterschied zwischen Chinas und der westlichen Industrie ist nach wie vor groß. So beträgt das Verhältnis von Arbeitskräften und Industrierobotern etwa 20 zu 1 und in China 10.000 zu 1. Auch wenn Industrie 4.0 in Deutschland ein klein wenig futuristisch anmuten mag, hat China noch viel mehr zu investieren um Industrie 4.0 zur Wirklichkeit zu machen. Die Kooperation der beiden Länder von solch großer Bedeutung, da die chinesische Regierung eine Lösung zu dem Status ihrer im Wandel befindlichen Wirtschaft sucht. Mit einem abnehmenden Wirtschaftswachstum und gleichzeitig zunehmenden Lohnniveau ist das Land derzeit im Übergang von einem produzierendem zu einem konsumierenden Land. Dieser Übergang braucht ganz klar eine neue wirtschaftliche Struktur und daher beabsichtigt die Regierung China zu einer industriellen Supermacht (工业强国) zu transformieren, die technologisch und qualitativ mit westlichen Volkswirtschaften konkurrieren kann. Industrie 4.0 könnte genau die Möglichkeit sein, dies zu bewerkstelligen. Chinesische Ökonomen prognostizieren einen durch Industrie 4.0 bedingten Produktivitätsanstieg von bis zu 30% während unvorhergesehene Produktivitätsverluste um bis zu 60% abnehmen könnten.
Öffentliche Investitionen in Industrie 4.0
Die chinesische Regierung tätigt derzeit nicht nur Investitionen in die Weiterentwicklung von Industrie 3.0, sondern auch in Industrie 4.0. In diesem Zusammenhang hat die Regierung bereits 2007 eine entsprechende Digitalisierungsstrategie begonnen. Das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT工业与信息化部) fördert hierbei mit der 3i-Strategie die Integration von Industrialisierung und Information. In gleichem Maße spielen weitere öffentliche Investitionen eine wichtige Rolle. Diese umfassen Bereiche wie z.B. das Internet of Things (IoT), Roboter und Cloud Computing. Auch wenn China als Ganzes noch weit entfernt von der Verwirklichung von Industrie 4.0 ist, so ist dies für bestimmte Unternehmen bereits Wirklichkeit. Sany (三一重工), Chinas größtes Maschinenbauunternehmen nutzt bereits Industrie 4.0 Technologie wie M2M und zeichnet dabei jegliche Daten bezüglich der Produktionsprozesse auf. Es sei dazu gesagt, dass Sany ein Ausnahmefall ist. Doch Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regeln, denn mehr und mehr Unternehmen beginnen die Vorteile von Industrie 4.0 zu sehen.